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Teil 4: Eine Wanderung in der Trögerner Klamm

 

erstellt am
27. 05. 03



Aus jeder Kurve und aus jeder Senke dient uns der 2142 Meter hohe Hochobir als Wegweiser


Unser zweiter Tag in St. Kanzian beginnt mit einem leckeren Frühstück, das uns Anna Jernej auf einem großen Tablett in unser Appartement gebracht hat. „Unsere“ Terrasse verhilft zu dem für uns seltenen Genuß im Freien zu frühstücken. Während der schwarze Kaffee durch die frische Milch auf Trinktemperatur gebracht wird und die frischen Kaisersemmerln mit Schinken und Käse belegt oder mit Honig bestrichen werden, stimmen wir uns auf den heutigen Tag ein. Wir wollen uns in Richtung Karawanken auf den Weg machen und eine kleine Wanderung in die Trögerner Klamm machen. Es wird uns dort jemand all das zeigen,


Oberförster in Ruhestand, Robert Matweber, kennt die Klamm wie seine Westentasche
woran man als Stadtmensch vielleicht nicht gerade vorübergeht (wir sind ja schließlich hier, um etwas zu entdecken). Er wird uns aber auf vieles aufmerksam machen, was uns dann gerade deshalb in Erinnerung bleiben wird. Am Nachmittag werden wir dann im Bus auf den Hochobir fahren, um an einer Führung durch die berühmten Obir Tropfsteinhöhlen teilzunehmen. Ob wir denn nicht das strahlende Sonnenwetter mit sommerlichen Temperaturen für Ziele im Freien ausnutzen wollen, werden wir gefragt, als wir kurz nach Wien berichten. Nein, bestehen wir auf unserem Plan, wir wollen keinesfalls auf die sicher herrliche Aussicht von 1078 m Seehöhe verzichten. Auf dieser Höhe befindet sich nämlich der Eingang zur Höhle. Doch eines nach dem anderen.

Gute 30 Minuten werden wir vom Klopeiner See zur Trägerner Klamm brauchen. Verfehlen können wir unser Ziel nicht, dient uns doch aus jeder Kurve und aus jeder Senke der 2142 Meter hohe Hochobir als Wegweiser. In der Nacht hat es dort oben scheinbar ein wenig geschneit, der Gipfel strahlt in der Sonne ganz weiß herunter.

Wir sind, zugegebenermaßen, keine großen Wanderer vor dem Herrn und verfügen daher auch über keine spezielle Wanderkleidung. Als wir unseren Führer, Robert Matweber, das erste Mal sehen, denken wir uns insgeheim „na, der wird sich aber jetzt was von uns denken“, Halbschuhtouristen, wie wir jetzt hier auftauchen. Doch der Oberförster in Ruhestand, hochprofessionell gekleidet als solcher auch auf den ersten Blick sofort zu erkennen, scheint derartiges gewöhnt zu sein, wehrt unsere ziemlich dünnen Erklärungsversuche bezüglich Schuhwerk usw. freundlich ab und meint, es wäre schon recht, er hätte ja ohnedies keine größere Tour geplant.


Einer der ersten Eindrücke bleibt uns auch am längsten in Erinnerung


Vorausschicken möchten wir vor allem für all jene, die sich in besonders engen Gesteinsformationen unwohl fühlen: Die Trögerner Klamm ist keine Schlucht, es sind auch keine metallenen Hühnersteige zu erklimmen. Was uns offengestanden auch ein wenig beruhigt.

Robert Matweber geht festen Schrittes voran, läßt uns wissen, daß es in etwa 100 weiteren Metern einen geeigneten Platz für erste Erläuterungen gebe und hat kein Problem damit, daß wir sein Tempo nicht halten können. Nach 50 Metern schon hat er sich auf das unsere eingerichtet. Was uns sehr beruhigt. Denn nichts ist unangenehmer als jede Art von Eile oder Hetzerei, wenn man aufs Seele-baumeln-lassen eingestellt ist.


Der Hang zeigt die schwarze Flaserkalkschichte, den roten Grödener Sandstein, dann erst den weißen Schlerndolomit

Die Klamm verläuft vom Norden nach Süden, beginnt unser Oberförster mit seiner Einführung, ist also nach Süden geöffnet, was die regelmäßige und starke Sonneneinstrahlung erklärt. Und das größte natürliche Schwarzkiefervorkommen Österreichs.

Wir befinden uns jetzt am Beginn der 3000 Meter langen Trögener Klamm. Hier befand sich bis vor 210 Millionen Jahren eine Lagune eines Meeres, das sich von Europa bis Asien erstreckte. Die Trögener Klamm ist hauptsächlich aus Dolomit aufgebaut. Dolomit, benannt nach dem französischen Geologen und Mineralogen Déodat Tancrède Gratet de Dolomieu, der von 1750 bis 1801 lebte, ist magnesiumhältiger Kalk. Das Gestein wurde ja ursprünglich als Kalk abgelagert, wenn dann im Laufe von Millionen Jahren durch einen chemischen Prozess Kalzium in Magnesium umgewandelt wird, entsteht Dolomit. Nach einem Berg in den Südtiroler Dolomiten wird dieses Gestein Schlerndolomit genannt. Der Name „Schlern“ wird für ein fossiles Riff einer bestimmten geologischen Zeit verwendet, das aus Kalkalgen, Kalkschwämmen, Muschelschalen Korallen, Schnecken und vielen anderen Organismen aufgebaut wurde.

Zu diesen vier Bildern könnte man wohl eine seitenlange Bildunterschrift verfassen können … wir wollen sie einfach für sich selbst sprechen lassen
Der Riffkomplex des Schlern wurde hier in Trögern vor 250 bis 210 Millionen Jahren, also innerhalb eines Zeitraumes von 40 Millionen Jahren abgelagert. Als später die Alpen aufgefaltet wurden, gelangte dieses Riff in seine heutige Lage. Es wurde von der Lagune auf das Festland gehoben. Der Trögener Bach hat sich im Laufe von vielen, vielen Jahren 600 m tief in dieses Riff hineingearbeitet. Auf der uns gegenüberliegenden Seite des Hanges zeigen zuunterst die schwarze Flaserkalkschichte, den roten Grödener Sandstein,


Eine absolute Rarität: Ein versteinerter Baumstrunk dient als Brunnenbecken, dessen hochwertigstes Quellwasser in der Sonne glitzert
dann erst den weißen Schlerndolomit. Als durch die Kollision der afrikanischen mit der europäischen Kontinentalplatte die alpidische Gebirgsbildung durch Auffaltung der Alpen einsetzte, wurden diese Schichten, die ursprünglich horizontal abgelagert waren, vertikal aufgestellt. Faszinierend, welche Kräfte hier am Werk waren. Der rote Grödener Sandstein zeigt uns, so Robert Matweber weiter, daß unser Bundesland Kärnten vor 285 - 250 Millionen Jahren, also innerhalb eines Zeitraumes von 35 Millionen Jahren ein wüstenhaftes Festland hatte. Der Eisengehalt des Bodens, Millionen Jahre lange Trockenheit und Sonnenglut haben den roten Sandstein geschaffen. Also roter Sandstein ist nichts anderes, als unter hohem Druck zusammengepreßter Wüstensand.

In Trögern herrscht mediterraner Einfluß, weshalb hier Pflanzen des Südens wachsen wie zum Beispiel Schwarzkiefer, Hopfenbuche und Manneresche; der Rotbraune Ständelwurz, eine Orchideenart, die Felsenbirne, deren weisse Blütenstände von April bis Juni aus den Hängen hervorleuchten; der Seidelbast mit rosafarbenen Blüten; der bis zu 10 cm große Stengellose Enzian, dessen blaue, selten auch weiße Glocke mit 5 Zipfeln aus dem Grün der Wiesen lugt; die Bach-Nelkenwurz mit ihren blaßgelben oder -roten Blütenblättern usw., usw. Wir nehmen uns fest vor, zu Hause all das in Lexika nachzuschlagen, damit wir ja nichts vergessen. Was wir nicht nachgeschlagen haben, sind die 110 Spinnenarten und 23 Weberknechtarten. (Das mag für viele besonders interessant sein – wir waren nicht sehr enttäuscht, daß sie nicht zu sehen waren.) Beschaulicher war da für unsere Begriffe die Vielzahl der Vögel, als deren wichtigste Vertreter uns die Gebirgsstelze gezeigt wird. Fünf Paare sollen hier, in der Trögerner Klamm, ihre Brutstätten gefunden haben. Nicht zu vergessen auch die Quelljungfer, eine ebenso schöne wie gefährdete Libellenart. Gefährdet ist auch die Alpenspitzmaus, die in den Tümpeln und Bachschluchten ihren idealen Lebensraum hat.

In diese unberührte Landschaft kann und darf übrigens nicht eingegriffen werden: Mit der Unterzeichnung der Resolution von Helsinki 1993 hat sich die Republik Österreich verpflichtet, bundesweit Naturwaldreservate einzurichten. Und eines davon wurde hier im Potokgraben eingerichtet



Ein herrlicher Überblick über Teile des 114 Hektar großen Naturwaldreservates


Das Reservat ist 114 Hektar groß und der Besitzer des Waldes mußte sich verpflichten, innerhalb des Vertragszeitraumes von 20 Jahren keinerlei Holzwirtschaft zu betreiben. Oberförster Robert Matweber, auch hier ganz in seinem Element, erzählt, daß gleich nach Abschluß des Vertrages es durch Stürme Windwurfschäden gegeben hat. Die durfte man natürlich auch nicht aufarbeiten und so sind in den ersten zwei Jahren vermehrt Borkenkäferschäden aufgetreten. Da ja keine hohlen Bäume mehr geschlägert werden durften, haben sich vermehrt Nistmöglichkeiten ergeben und sich dadurch vermehrt Meisen und Spechte angesiedelt. Die hielten den Borkenkäfer wieder kurz und weil jetzt Ruhe in dem Revier herrschte, siedeln sich überall Ameisenvölker an. Und man weiß, daß ein Ameisenvolk in der Lage ist, einen Hektar Wald frei von Borkenkäfern zu halten. So stellt sich das biologische Gleichgewicht wieder ein, sodaß sich Nützlinge und Schädlinge die Waage halten. Man will ja keine Art ausrotten, auch nicht den Borkenkäfer, schließt Matweber den Exkurs in den hier so ungestörten Kreislauf der Natur. Schade nur, daß in den ausgewiesenen Gesetzen nicht auch das Jagdverbot enthalten ist.



Die Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ im kleinen Ort Trögern


Wir könnten jetzt „flunkern“, wie das „ein wenig Lügen“ bei uns so schön umschrieben wird, und Ihnen erzählen, daß wir den etwa einstündigen Aufstieg zum kleinen Ort Trögern, wo es neben der Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ ein gemütliches Gasthaus gibt – zu Fuß hinter uns gebracht haben. Wir sind aber, soll es ja auch geben, ehrlich und gestehen ein, daß uns unser Oberförster Robert Matweber mit seinem dort schon vorher geparkten Auto überrascht und bequem hinaufgeführt hat. Schließlich haben wir ja noch einiges vor.