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Noreia in Südkärnten lokalisiert!  

erstellt am
15. 07. 03

Kärntner Frühgeschichtler definiert endgültig den Berg "Gracarca" am Klopeiner See als Zentrum der geheimnisumwobenen Region Noricum
St. Kanzian (öj) - Das Regnum Noricum ist das erste nachweisbare staatliche Gebilde auf dem heutigen Gebiet Österreichs und wird auf etwa 200 vor Christus datiert. Dessen Gründer, die Noriker, zählen zum Stamm der Kelten, der sich schon während


Univ. Doz. Dr. Paul Gleirscher im Gracarca-Museum in St. Kanzian am Klopeinersee

Foto: Österreich Journal
der Eisenzeit bildete und über viele Tausend Jahre die europäische Geschichte dominierte. Unzählige Historiker und Archäologen bemühten sich, schlüssige Beweise für die genaue geographische Lage Norikums und seiner geheimnisumwobenen Hauptstadt "Noreia" zu finden. Einer von ihnen, Dr. Paul Gleirscher, Ur- und Frühgeschichtler am Landesmuseum Klagenfurt und Dozent an der Universität zu Klagenfurt, hat im Bereich des Berges "Gracarca", der den Klopeiner See im Süden begrenzt, intensive Geländeuntersuchungen gemacht und dabei eine Menge von Daten zu einer sehr bedeutenden eisenzeitlichen Siedlung ergraben.

Nun erklärte Gleirscher dem "Österreich Journal", er sei endgültig zu dem Schluß gekommen, daß sich auf der Gracarca die vielgesuchte Stadt Noreia befunden haben mußte, bisherige Mutmaßungen schließt der Archäologe endgültig aus. Gleirscher: "Die Siedlung,
Keltische Eberstatuette aus Bronce mit Emaileinlagen und Silberkamm

Foto: Gracarca Museum
Kesselgehänge, wie es im keltischen Haus zum Kochen über offenem Feuer verwendet wurde

Foto: Gracarca Museum
Die Riemenzunge mit awarischer Ornamentik war eine Grabbeigabe des Karantanenfürsten

Foto: Gracarca Museum
Schlüssel von einem nicht nachsperrbaren Hakenriegel- schloß; das deutet darauf hin, daß in den Häusern Kostbares versperrt wurde

Foto: Gracarca Museum
Fiebeln aus einer Raubgrabung, die 2002 vom Land Kärnten in Deutschland wieder zurückgekauft wurden

Foto: Gracarca Museum
die wir auf der Gracarca lokalisiert haben, ist die typische Höhensiedlung von naturhafter Wehrhaftigkeit, wie sie sozusagen immer als Vorbild zur Suche galt. Sie ist sehr großflächig und nimmt im Lauf von eintausend Jahren vor Christus einen enormen Aufstieg. Der Höhepunkt ist in den letzten 300 Jahren v. Chr. erreicht und liegt somit in der bewußten Zeit."

Es ist überliefert, daß Eisen aus Noricum aufgrund seiner höchsten Qualität selbst im antiken Rom ein Markenbegriff und deshalb auch in der Verarbeitung ein wirklich gesuchter Rohstoff war. Gleirscher: "Wir haben hier einen dem entsprechenden zentralen Platz von Eisenproduktion gefunden, was durch die Vielfalt der Funde bzw. der Verarbeitungsarten bewiesen ist. Verbunden mit dem bergmännischen Reichtum ist natürlich eine Elite, die sich auch damals schon international gab: Wir haben feines Trinkgeschirr, qualitätvolle Waffen und Reiter-Accessoirs, versilberte Sporen mit Emaileinlagen und vieles andere gefunden, wie es in Europa wirklich nur in Funden der bedeutendsten Stätten vorkommt."

Die Qualität der Funde auf der Gracarca, im objektiven Vergleich mit anderen Fundstellen, definiert hier das Zentrum der Noriker und deren Hauptort, der in der antiken Literatur mit dem Namen der keltischen Göttin "Noreia" bezeichnet wird. Er weist eine der Wichtigkeit angemessene Ausdehnung und Repräsentativität auf und ist eindeutig die größte Siedlung spätkeltischer Zeit, die bisher in relevantem Umkreis gefunden wurde.

Für Gleirscher ist das Geheimnis um die geographische Lage Noreias also endgültig geklärt. Für den nächsten Schritt wird der Wissenschaftler aber mindestens nocheinmal soviel Geduld brauchen. "Als es im Mittelalter zu Weinbauversuchen kam, wurden die Siedlungsreste sehr stark gestört, sodaß wir mit weiteren Fragen nach Adeligen oder einem Königssitz noch warten müssen. Wir bräuchten intakte Grundrisse und Spuren. Im Gräberfeldbereich haben wir auch schon Ansätze gefunden. Wenn wir dort weiter fündig werden und durch die öffentliche Sensibilisierung auch Fundmeldungen bekommen, könnten wir von dieser Seite her auch die soziale Schichtung erforschen, um diese elitäre Struktur weiter erhellen", so Gleirscher abschließend.

Vor wenigen Tagen haben an dieser geheimnisvollen Stelle neuerlich Ausgrabungen begonnen. Diesmal aber gezielt auf der Südseite der Gracarca. Dort sind in einem Friedhof eine Adelsschicht der Eisenzeit und des Frühmittelalters faßbar. Zu letzterem gehört ein komplettes Reitergrab aus dem 8. Jahrhundert. Man möchte nun feststellen, ob es sich dabei um einen kleinen Adelsfriedhof der Karantanen handelt. Faszinierend wäre es wohl, würde man - nach 1200 Jahren - auf die Grabstätte eines der ersten Herrscher der frühmittelalterlichen Kärnten stoßen.
     

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Auszug aus der Kleinen Zeitung vom 15. Juli 2003 - Ausgabe Völkermarkt

 

Siedlung auf Gracarca ist eine historische Fundgrube
 
Funde über mehrere Epochen und die große Frage: War auf der Gracarca die Stadt Noreia? Heuer wird das "Reitergrab" in Grabelsdorf analysiert.

HUBERT BUDAI

Von den Fundorten, die wir bisher in Kärnten kennen, kommt die Höhensiedlung auf der Gracaraca sicher in die engste Wahl, wenn es um die Frage des Machtzentrums des keltischen Noricum geht", sagt Paul Gleirscher, Archäologe und Frühgeschichtler am Kärntner Landesmuseum. Nach den wenigen Beschreibungen sei Noreia - sollte es diesen Ort als Stadt gegeben haben - 223 Kilometer von Aquilea entfernt gelegen. "Also irgendwo in Mittel- oder Unterkärnten", so Gleirscher. Seit 1992 leitet er die Ausgrabungen rund um den Klopeiner See und ist seither zu einigen sensationellen Erkenntnissen gelangt.

So belegen die Fundstücke eine kontinuierliche Besiedlung von 900 v. Chr. bis in das 8. Jahrhundert. Ab 300 v. Chr. bis zur Zeit der Eingliederung Noricums in das Römische Reich dürfte die Siedlung 1000 bis 3000 Menschen gezählt haben. Fundanalysen bestätigen, dass norisches Eisen mit der gleichen Qualität zu Waffen und medizinischen Instrumenten verarbeitet wurde, wie man es in Virunum handelte. Gleirscher setzt den Ort mit bedeutenden Zentren wie Frög in Verbindung, was Funde in einem Fürstengrab aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. belegen. Vorige Woche wurden auch eine Spinnwirtel und ein Webgewicht als weibliche Grabbeigaben gefunden.

1500 Jahre später war der Grabhügel Begräbnisstätte eines Kriegers aus der karantanischen Oberschicht. 1966 wurde das Grab erstmals geöffnet und ein Kurzschwert, Reitersporen, Messer und ein byzantinisch-awarischer Militärgürtel mit Salzfass gefunden. Jetzt will Gleirscher die Knochen, die damals wieder eingegraben wurden, einer DNA-Analyse zuführen und mit anderen Funden vergleichen. Adrian Eberhart, Obmann des Vereines "5000 Jahre Gracarca", vermutet in diesem Grab gar den ersten Karantanenfürsten.